Alexandra, 57 Jahre, hat schon viele Stationen in ihrem Leben durchlaufen: Von der Musikerin über die Priesterin bis hin zu einer ganz neuen Ausbildung im medizinisch-naturwissenschaftlichen Bereich. Nach gesundheitlichen Krisen und einer intensiven Zeit der Neuorientierung fand sie über unser Projekt „Level up!“ (damals noch das Vorgängerprojekt „Level up!“, heute „Level up! 2.0“ – Anm. d. Redaktion) neue Perspektiven und den Mut, noch einmal ganz von vorn zu beginnen. Im Gespräch erzählt sie offen von ihrer Reise, den Erkenntnissen im Projekt und ihrem Sprung in ein völlig neues Berufsfeld.

1. Hallo Alexandra, vielen Dank für Deine Zeit! Du hast ja schon einiges erlebt – kannst Du uns kurz mitnehmen und erzählen, wie Dein beruflicher Weg verlaufen ist, bevor du zum Projekt gekommen bist?

Na klar. Dazu muss man wissen: Ich habe in meinem Leben viele Schicksalsschläge erlebt – Musik und Spiritualität waren dabei immer meine Anker. Zuerst habe ich Musik studiert, ein Orchesterdiplom gemacht und Geige gespielt. Später habe ich Theologie studiert und wurde 2005 zur Priesterin geweiht. Über 20 Jahre lang habe ich als Priesterin gearbeitet. Doch es gab auch Krisen: 2012 fiel ich in eine Erschöpfungsdepression, weil ich vollkommen überarbeitet war – ich habe damals rund 100 Stunden pro Woche gearbeitet. Später bin ich zwar wieder in meinen Beruf zurückgekehrt, aber 2022 kam eine erneute gesundheitliche Krise, die in einer größeren Operation in 2023 mündete. Danach wusste ich: Ich werde nicht mehr in meinen alten Beruf zurückkehren. Doch dann stand ich mit Mitte 50 da und fragte mich: Was jetzt?

2. Das muss sehr schwierig für dich gewesen sein! Wie bist du denn auf das Projekt Level up! aufmerksam geworden?

Ganz leicht war das nicht, weil das Arbeitsamt für mich nicht zuständig war – offiziell galt ich zu der Zeit noch als Priesterin im aktiven Dienst. Deshalb habe ich eine zuständige Stelle oder eine Person gesucht, die mir weiterhelfen konnte. Also habe ich im Internet recherchiert und bin auf die Website von Level up! gestoßen. Die Seite hat mich sofort angesprochen: super aufgebaut, das Angebot las sich toll und ich hatte direkt Lust mitzumachen. Gleichzeitig war ich skeptisch – so etwas kostet doch normalerweise Geld. Dass die Teilnahme gefördert ist und keine Kosten für mich entstehen, war mir nicht sofort klar. Aber ich habe mich trotzdem gemeldet – und es war eine der besten Entscheidungen. Besonders toll fand ich auch, wie niedrigschwellig der Einstieg war: kein Papierkrieg, keine komplizierten Nachweise.

3. Wie hast du die Zeit im Projekt erlebt? Und: Gibt es bestimmte Momente, die dir in Erinnerung geblieben sind?

Sehr positiv! Ich bin sehr schnell bei der Beraterin gelandet und wir haben in den Workshops viel in kleinen Gruppen gearbeitet. Insgesamt habe ich an fast allen Angeboten teilgenommen – den beiden Online-Workshops „Das bin ich!“ und „Beruf versus Berufung“ sowie am „Impulsworkshop: Was willst du wirklich?“. Den Mix aus Online- und Präsenzveranstaltungen fand ich klasse. Witzigerweise hat eine Freundin von mir ebenfalls am selben Impulsworkshop teilgenommen und wir haben uns in der Veranstaltung getroffen. Die Beraterin und Workshopleiterin hat mich besonders abgeholt. Man hat gemerkt, dass sie wirklich möchte, dass es den Menschen gut geht und, dass etwas entsteht.

Gleich zwei Momente sind mir in Erinnerung geblieben: Im Impulsworkshop sollten wir ein Bild auswählen, das uns anspricht. Ich habe mich für zwei Schweinchen entschieden, die auf mich zugerast kamen. Für mich stand das Bild sofort für Leid, Massentierhaltung und Schlachtung. Alle anderen assoziierten es aber mit Glück und Freude. Da wurde mir bewusst: Es gibt immer mehrere Perspektiven – und meine war nur eine davon. Das war ein Aha-Moment.
Der zweite Schlüsselmoment war, als alle zu mir sagten: „Du musst wieder etwas mit Menschen machen.“ Erst da habe ich gespürt, dass genau das nicht mehr mein Weg ist. Diese Erkenntnis hätte ich alleine nicht gewonnen.

4. Das ist ja spannend! Wie ging es denn weiter?

Mir wurde klar: Ich will etwas ganz anderes machen. Und jetzt tauche ich in die Wissenschaft ein. Vor Kurzem habe ich eine Ausbildung zur medizinischen Technologin für Labordiagnostik angefangen. Erst Kunst, dann Religion – und jetzt Wissenschaft. Etwas, das ich nicht kann. Aber genau das war der Schlüssel. Früher standen die Menschen im Mittelpunkt meiner Arbeit, heute lerne ich etwas über Zellverbindungen und Genetik.

5. Das heißt, noch während du bei Level up! teilgenommen hast, wusstest du direkt, dass du medizinische Technologin für Labordiagnostik werden möchtest?

Nein, die Teilnahme am Projekt war für mich der eigentliche Auslöser. Als ich im Frühjahr 2024 ausgestiegen bin, habe ich zunächst noch in reduzierter Form gearbeitet. Ab Anfang 2025 begann ich dann, mich intensiv zu bewerben – bestimmt 60 bis 70 Mal, auch auf Stellen, die im Nachhinein gar nicht zu mir gepasst hätten, zum Beispiel als Bürokauffrau. Während dieser Zeit blieb ich in Kontakt mit besagter Beraterin aus dem Level up-Projekt, die mich auch bei den Bewerbungsunterlagen unterstützte. Schließlich ergab sich ein Praktikum in der Urologie, und so stieß ich auf den Beruf der medizinischen Technologin für Labordiagnostik. Diese duale Ausbildung gibt es erst seit zwei Jahren, sie ist quasi studiengleich, in anderen Ländern müsste man dafür studieren. Ich fand das sehr spannend – auch wenn es eine große Herausforderung bedeutet.

6. Hast du einen Tipp für Menschen, die sich beruflich neuorientieren wollen und noch ganz am Anfang ihrer Reise stehen?

Absolut! Mein Tipp: Selbstvertrauen! Habt das Vertrauen, dass in euch etwas liegt, das den Weg zeigt. Alles, was man braucht, ist bereits da – man muss es nur zulassen. Beziehungsweise loslassen, Schritt für Schritt gehen, und sich selbst die Zeit geben. Der Weg zeigt sich dann ganz von allein.

Alexandra, wir danken dir herzlich für deine Offenheit und die inspirierenden Einblicke in deinen spannenden Weg. Es ist beeindruckend, mit wie viel Mut und Entschlossenheit du einen ganz neuen beruflichen Anfang wagst. Für deine Ausbildung und alles, was danach kommt, wünschen wir dir viel Erfolg, Freude und Zuversicht.

Alexandra vollzieht den beruflichen Wandel von der Priesterin zur medizinischen Technologin für Labordiagnostik.